Erziehung heute: Was Kindern hilft, sich gut zu entwickeln
05.02.2018
Vortragsreihe in Kernen im Remstal mit namhaften Pädagogen
„Mehr Beziehung, weniger Förderwahn“
Kernen bewirbt sich aktuell um den Titel „Familienbewusste Kommune Plus“. Einer der Bausteine dafür ist eine dreiteilige Vortragsreihe, die das Thema Erziehung von verschiedenen Seiten beleuchtet. Am Auftaktabend wollten rund 300 zumeist weibliche Gäste von Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster mehr über „artgerechte Kinderhaltung“ erfahren. „Sie sagen uns, wie‘s funktioniert – so war die Reihe eigentlich gedacht“, scherzte BM Altenberger mit dem Referenten vorab auf der Bürgerhausbühne. Orientiert an der Verhaltensforschung, plädierte dieser für mehr Beziehung und weniger Förderwahn.
In der Tierwelt ist alles ganz einfach: Tiere durchlaufen stets ihr ureigenes genetisches Programm. Menschen haben das nicht, „sie schreiben ihre ganz eigene Landkarte“, so Renz-Polste. Dabei entwickeln sich Kinder nicht, wenn man an ihnen zieht oder sie nach vorne schubst. „Sie müssen ihre Eigenkräfte entwickeln und dürfen kein zielorientiertes Projekt der Eltern sein." Der Kinderarzt und vierfache Vater, der in Beinstein aufgewachsen ist, hat durch seine Bücher „Menschenkinder“ und „Kinder verstehen“ die Erziehungsdebatte in Deutschland beeinflusst. Wenn das von Natur aus angelegte Verhalten zu Konflikten führt, liege es daran, dass sich Kinder heute in einer nicht „artgerechten“ Umwelt aufhalten, ist er überzeugt. Stichwort Schlafen im eigenen Kinderzimmer. Es sei logisch, dass kleine Kinder nachts ins Bett der Eltern drängen, „denn in den Steinzeit war es für die hilflosen Kleinen überlebensnotwendig, bei den Eltern zu schlafen.“
Noch mehr gebe der „genetische Code“ dem Nachwuchs auf den Weg: eine ungeheure Begeisterungsfähigkeit beispielsweise und, im Teenageralter, eine enorme Schmerzunempfindlichkeit („Deswegen können die nächtelang durchmachen und machen irre Sachen“). Für die Reise ins „Neuland“ wie es Renz-Polster nennt, sind Wurzeln wichtig: „Wenn Kinder zuhause viel Nähe, Beziehung und Schutz erfahren, dann brechen sie selbstsicher zu neuen Ufern auf, lernen und bespielen gnadenlos ihre Festplatte“. „Wenn wir sie nur in pädagogische Systeme einpassen, stärken wir sie nicht“, betont er mehrfach am Abend. Freies Spiel und Freiraum fördere die Entwicklung mehr. Und vor allem wohlfühlen müsse sich das Kind, „denn gestresste Kinder lernen nicht“.
Weiter geht es in der Reihe am Donnerstag, 1. Februar, mit dem „Erziehungspapst“ Dr. Jan-Uwe Rogge und am Mittwoch, 7. März, mit der Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Renate Zimmer.
Alle Veranstaltungen finden im Bürgerhaus Kernen, Stettener Straße 18, statt (www.kernen.de). Sie beginnen jeweils um 20 Uhr (Einlass ab 19 Uhr). Der Eintritt beträgt 5 Euro.