Das Insektensterben geht alle an und treibt viele um. Mehr als 130 Gäste zog es zum Themenabend von Gemeinde und BUND-Ortsverband rund um den Erhalt und die Förderung der biologischen Artenvielfalt. Aus wissenschaftlicher, politischer und landwirtschaftlicher Sicht wurden sämtliche Aspekte beleuchtet. Angefangen von den Ursachen des nachweisbaren Insektensterbens bis zu den Möglichkeiten und Maßnahmen ihm zu begegnen.
Ausgerechnet die Kleinsten halten unsere Welt am Laufen. Denn sterben die Insekten, stört das massiv die Ökosysteme. Der Insektenrückgang ist durchaus dramatisch, betonte Professor Johannes Steidle. Er ist Tierökologe und lehrt an der Uni Hohenheim. Untersuchungen beweisen, dass die Population allein in Deutschland in den letzten dreißig Jahren um fast 80 Prozent abgenommen hat. Insekten können stechen, beißen und Krankheiten übertragen. Sie sind mitunter Schädlinge und Ungeziefer. Einzig mit Schmetterlingen, Marienkäfern oder Honigbienen kann „Mensch“ sich anfreunden. Was er bei seiner Abneigung vergisst: auch Fliegen, Wildbienen, Wespen und Käfer bestäuben Blüten. Gerade diese vermeintlich nutzlosen Störenfriede halten unsere Ökosysteme am Laufen. Verschwinden die Insekten, verschwinden Pflanzen, Vögel, Spinnen, Fledermäuse und jene Tiere, die sich von den Insektenfressern ernähren. Hauptursache Nr. 1 für das Verschwinden der Insekten ist die Industrialisierung der Landwirtschaft mit dem Einsatz der Insektizide, Herbizide (Glyhosat), der Überdüngung der Felder und ihrer „pflegeleichten“, ausgeräumten monotonen Agrarlandschaft. Gifte und Düngemittel reichen dabei weiter als bis aufs bewirtschaftete Feld. Selbst weit entfernte Naturschutzgebiete sind vom Insektenschwund betroffen.
Die Landespolitik in Baden-Württemberg hat die Gefahr erkannt. Hier wurde Ende 2017 ein zweijähriges Sonderprogramm mit einem Förderumfang von rund 36 Millionen Euro beschlossen. Es soll helfen, die biologische Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. In der Landwirtschaft wird unter anderem die Brachbegrünung und die extensivere Bewirtschaftung gefördert, sagte Jenny Behm, die im Umweltministerium, das Programm betreut. Beratungen sollen helfen, den Einsatz von Pfanzenschutzmitteln zu reduzieren. Monitoringprojekte, Biotopvernetzungen, Förderung wertvoller Streuobstwiesen und kommunale Förderprojekte („Natur nah dran“, „Blühende Gärten“) sind weitere Teilaspekte des Programms. Neben dem Umweltschutzministerium und dem Landwirtschaftsministerium ist auch das Verkehrsministerium beteiligt, das sich um das Straßenbegleitgrün kümmert und dort nun geeignete Pflanzenmischungen aussät.
Großflächige Monokulturen ohne Ackerraine, Hecken und Büsche sind wahre Wüsten für Insekten. Siedlungsgebiete mit Gartenflächen können für sie ein Eldorado sein – sofern Hausbesitzer, Unternehmer, Kirchengemeinden oder Vereine bei ihren Freiflächen auf angepasste Pflanzen setzen und nicht Steinwüsten aus Gabionen, Bambus oder Kirschlorbeer den Vorzug geben. „Es ist viel zu sauber bei uns“, brachte Steidle den Trend zum aufgeräumten Garten, „am liebsten mit englischem Rasen, ohne ein einziges Unkraut darin“, auf den Punkt. „Es muss ein Umdenken stattfinden, in der Politik, der Landwirtschaft und der Gesellschaft“, waren sich am Ende des Abends die Referenten, Moderator Martin Silber vom BUND-Ortsverband und das Publikum einig. Zielkonflikte gibt es freilich noch einige zu überwinden. „Ich muss von meinem Betrieb ja auch leben können“, fasste Jürgen Maurer vom Kreisbauernverband die Zwickmühle zusammen, in der er als Landwirt steckt. Maurer bewirtschaftet im Hohenlohischen einen konventionellen Landwirtschaftsbetrieb mit Viehhaltung und nimmt am Sonderprogramm teil. Für wichtig hält er, dass die Politik sinnvolle Förderanreize setze, und dass der Verbraucher sein Verhalten überdenkt. „Die naturnahe Landwirtschaft wollen, mehr Tierwohl fordern, aber gleichzeitig das Billigstlebensmittel kaufen, passt einfach nicht zusammen.“