Im Schnitt waren 100 Teilnehmer live zugeschaltet. Es ging um Wohnformen, graue Energie und die Reminiszenz an das Quartier.
Acht Hektar Zukunft gilt es auf dem Hangweide-Gelände in Kernen zu entwickeln. Der städtebauliche Wettbewerb für das Quartier läuft. Im Auslobungstext, den der Gemeinderat im Dezember 2019 einstimmig angenommen hatte, finden sich die Empfehlungen jener Bürger wieder, die sich im Jahr 2018 im Rahmen eines großen Bürgerbeteiligungsprozesses aktiv eingebracht haben. Durch sogenannte „Bürger-Planer-Dialoge“ soll die Einbindung der Bürger aufrechterhalten werden. Vor allem aber sollen die teilnehmenden Architekten ein Gefühl für die Menschen vor Ort sowie für die Raumschaft und deren Möglichkeiten erhalten. Seit Mitte März stehen die Wettbewerbsteilnehmer fest: Elf Teams, bestehend aus renommierten Architekten und Landschaftsplanern plus einer Studentengemeinschaft, die eine Wildcard erhielt.
Drohnenflug statt Vor-Ort-Begehung
Der erste Dialog hatte im November 2019 stattgefunden, der zweite war für März geplant, doch dann kam Corona. Statt des vorgesehenen Rundgangs mit den Bürgern über das verlassene Gelände, stellte die Gemeinde einen Drohnenrundflug sowie 360-Grad-Bilder und einen Kurzfilm des Heimatvereins ins Netz
(hier sind die Bilder und Filme zu finden). Die Bürger und die Planer konnten sich so ein Bild des Areals machen und per Kontaktformular bereits vorab Fragen formulieren. Sie wurden beim virtuellen Dialog am vergangenen Donnerstag von der Projektgemeinschaf, vertreten durch Bürgermeister Benedikt Paulowitsch und Beigeordneter Peter Mauch (Gemeinde Kernen), Markus Lämmle (LBBW Immobilien Kommunalentwicklung KE ) und Dirk Braune (Kreisbaugesellschaft Waiblingen mbH) beantwortet; unterstützt wurden sie bei Fachfragen von zwei Preisrichtern, dem Verkehrs- und Stadtplaner Dr.-Ing Rosenberg sowie dem Landschaftsplaner Dipl. Ing. Friedmann. Bis auf kleine Tonschwierigkeiten zu Beginn lief der Livestream störungsfrei. Im Schnitt schauten 100 Besucher zu.
Bürgerfragen
Unter anderem sorgten sich Bürger, ob es angesichts der Corona-Krise ein so großes Wohnquartier überhaupt noch brauche. Bürgermeister Benedikt Paulowitsch, der bereits zu dem Thema mit Experten aus dem Finanzsektor gesprochen hatte, betonte, dass gerade hier im Verdichtungsraum Stuttgart die Wohnungsnachfrage ungebrochen hoch bleibe: „Wir sind nach wie vor eine Wachstumsregion, auch wenn wir jetzt einen wirtschaftlichen Einbruch erleben. Die hohen Mieten und Kaufpreise zeugen von der Wohnungsknappheit.“ Welche Gebäudetypen einmal entstehen sollen, beantwortete der Beigeordnete Peter Mauch mit Blick auf die Ziele bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Hangweide wird wohl überwiegend aus mehrstöckigen Mehrfamilienhäusern bestehen. Wobei es viele kleinere und mittlere Baufelder geben soll, auf denen dann die unterschiedlichsten Wohnformen möglich sein könnten – den Zuschlag erhält, wer mit seinem Konzept überzeugt.
Wie die Erschließung und Mobilität einmal aussehen könnte, sei ein spannender Prozess, so Jurymitglied Rosenberger, dabei sei wichtig, dass man unterscheiden müsse: „Das Gebiet soll nicht ‚autofrei‘, sondern ‚autoarm‘ sein“, betonte er mit Verweis auf die Empfehlungen aus der Bürgerschaft. Dabei spielen natürlich auch die Themen Nachhaltigkeit und Ökologie eine wichtige Rolle. Der Kreativität sei im Wettbewerb viel Raum gelassen worden: „Wir werden bestimmt sehr unterschiedliche Lösungen bekommen“, ist Rosenberger überzeugt.
Landschaftsarchitekt Friedemann, ebenfalls Mitglied des Hangweide-Preisgerichts, berichtete von Plänen, Wasser erlebbar zu machen und den Beibach zu nutzen, um die Verbindung in die Landschaft um die Hangweide herum und zu den Ortsteilen herzustellen.
Auch nach einem eventuellen Erhalt einzelner Gebäude als Reminiszenz wurde gefragt, ebenso nach der Verwendung der sogenannten grauen Energie. Der Geist des Quartiers soll erhalten bleiben, betonte Kreisbau-Chef Dirk Braune, denn eine Reminiszenz sei mehr als der Gebäudeerhalt. So solle das Quartier seinen inklusiven Charakter behalten. Die graue Energie, die in den Gebäuden sei, werde, so Braune wieder eingesetzt, dabei werde der Abbruch des Bestands, der „nicht erhaltensfähig“ sei, „so ressourcenschonend wie möglich“ erfolgen. Markus Lämmle kündigte an, die Projektpartner würden „innerhalb der gegebenen Möglichkeiten auch Wertstoffe wie Recyclingbeton und Metalle wieder mit einführen“ – und zwar sowohl aus ökologischen als auch aus wirtschaftlichen Motiven.
Der weitere Zeitplan des Projekts
Die Corona-Krise hat den Zeitplan der Gebietsentwicklung etwas verschoben, das Ergebnis des städtebaulichen Wettbewerbs wird für Herbst 2020 erwartet. Im Oktober oder November tagt das Preisgericht, dann erfolgen der dritte „Bürger-Planer-Dialog“ und der Vergabe-Beschluss im Gemeinderat. Mit der Erschließung des Gebiets wird vermutlich erst 2022 begonnen werden.
Infos zum Projekt
Alle Infos zur Hangweide finden sich
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